Montag, 25. Februar 2013

Beerdigung

Es war heute mal wieder so weit. Ich durfte auf eine Beerdigung. Die Wortwahl mag Dich erschrecken, denn sterben kommt in unserer Gesellschaft eigentlich nicht vor. Ältere Menschen werden bestenfalls "best ager", aber sterben ist nicht vorgesehen. Für mich ist das anders. Mir steht nur meine allerallerengste Familie nahe. Alle anderen sind mir egal. Egal im Sinne von ' es macht mir nichts aus wenn sie sterben'. Lästig wird es wenn ein sog. Promi stirbt, denn dann erfahre ich durch die Medien Dinge über ihn, die ich gar nicht wissen will und mein Tag wird durch wiederkehrende Berichterstattung gestört. Heute war es also eine Person, die mir nicht nahe stand ( also außerhalb dem Radius Kinder, Mann, Eltern, Geschwister). Umso interessanter war es für mich. Ich mag Beerdigungen! Enten sind dort so ehrlich wie sonst nie- und offensichtlich verlogen wie sonst auch nie. Damit meine ich einerseits die nahen Verwandten, die schluchzend und weinend am Grab stehen. Besonders der Moment, in dem der Sarg nach unten gelassen wird, ist interessant. Häufig beginnen da die NT's zu weinen. Ich glaube fest, dass viele Menschen nur in solchen Situatinen wirklich echt sind. Andererseits gibt es diese Nachrufe. Ich mag ja Biographien und höre sie mir immer gerne an. Aber oftmals kommt mir das Lied "Ehrenmann" der Toten Hosen in den Sinn:...." Er war doch nur ein Arschloch, warum sagt niemand die Wahrheit?....." Ich weiß, man darf nicht schlecht über Verstorbene reden ( warum eigentlich nicht?), aber was da manchmal erzählt wird! Es sind immer die besten Menschen gewesen, Edel, selbstlos und gütig. Komisch, dass ich sie teilweise anders erlebt habe.... Aber sei's drum. Noch etwas zieht mich zu Beerdigungen hin. Ich glaube man nennt es synergetischen Effekt. Ich kann Gefühle fremder Menschen nicht erkennen- aber ich spüre sie, wenn sie extrem sind. Das kann auch in anderen Situationen passieren, aber auf dem Friedhof habe ich gute Chancen, dass ich es spüren kann. Ich mag dieses Gefühl. Eigentlich berührt mich fast nichts wirklich. Außerhalb meiner Familie. Aber diese vielen Menschen die heulend rumstehen geben ein so schönes Kribbeln ab. Mein größtes Problem bei Beerdigungen ist, dass ich mich 'angemessen' verhalte. Ich musste schon mal beinahe laut loslachen, da ich anstelle von "wir kommen vor Dir in Ehrfurcht" - 'in Erfurt' gelesen habe. Sowas gilt es natürlich zu unterdrücken. Und ich gaffe vermutlich sehr, weshalb Beerdigungen im Sommer besser sind. Da kann ich eine Sonnenbrille tragen. Vor einem habe ich allerdings Angst- vor dem Tag, an dem meine Eltern sterben. Sie sind mein Ankerpunkt, mein sicherer Hafen. Und ihre Beerdigung wird dann nicht schön sein. Ich hoffe, dass es noch dauert bis dahin.

Freitag, 22. Februar 2013

Mode

Wenn ich das Wort Mode höre muss ich unweigerlich an das wunderbare Gedicht von Erich Kästner denken: Sind sie nicht pfuiteuflisch anzuschauen? Plötzlich färben sich die Klassefrauen, weil es Mode ist, die Nägel rot! Wenn es Mode wird, sie abzukauen, oder mit dem Hammer blau zu hauen, tuns sie's auch und freuen sich halbtot. Wenn es Mode wird, die Brust zu färben oder - falls man die nicht hat - den Bauch... wenn es Mode wird, als Kind zu sterben oder sich die Hände gelb zu gerben bis sie Handschuh'n ähneln, tun sie's auch. Wenn es Mode wird, sich schwarz zu schmieren, wenn verrückte Gänse in Paris sich die Haut wie Chinakrepp plissieren, wenn es Mode wird, auf allen Vieren durch die Stadt zu kriechen, machen sie's. Wenn es gälte, Volapük zu lernen, und die Nasenlöcher zuzunähn und die Schädeldecke zu entfernen und das Bein zu heben an Laternen morgen könnten wir's bei ihnen seh'n. Denn sie fliegen wie mit Engelsflügeln immer auf den ersten besten Mist. Selbst das Schienbein würden sie sich bügeln! Und sie sind auf keine Art zu zügeln, wenn sie hören, daß was Mode ist. Wenn's doch Mode würde, zu verblöden! Denn in dieser Hinsicht sind sie groß. Wenn's doch Mode würde, diesen Kröten jede Öffnung einzeln zuzulöten, denn dann wären wir sie endlich los. Ich finde, der Mann hatte eine ganz gute Menschenkenntnis. Wenns nach mir ginge müsste es lediglich Jeanshosen und dunkle Oberteile geben. Das war schon immer das, was ich am liebsten anziehe. Als ich noch berufstätig war musste ich in Bluse und Rock oder feiner Stoffhose erscheinen. Ich kam mir jeden Tag wie verkleidet vor. Eigentlich würden mir 3 gleiche Jeans und 3 gleiche Oberteile ausreichen. Ich mache mir auch nie stundenlang Gedanken was ich anziehen soll. In diesem Zusammenhang fällt mir ein Satz ein, den Verkäuferinnen so gerne verwenden: " Das können Sie aber gut tragen". Ja, ich weiß, ich kann das Kleidungsstück tragen, aber eigentlich wollte ich es anziehen..... Es ist ein Horror Kleidung in einem Geschäft zu kaufen. Zuerst einmal eine Verkäuferin die es abzuwimmeln gilt. Nichts schlimmeres als eine fremde Person, die den Vorhang zur Umkleide aufreißt. Dann aus-und-umziehen in einer stinkenden Kabine, immer lauernd, dass niemand " aus versehen die falsche Kabine erwischt". Überall Spiegel- ich hasse Spiegel!!!!! Aber da ich keine Kommentare der Verkäuferin ab kann muss ich mich in dem engen Kasten entscheiden. Nach 5 Minuten kommt dann die Frage der Verkäuferin " alles klar bei Ihnen?" Sie lauert ja bis jemand raus kommt. Vermutlich gibts Provision pro verkauftes Kleidungsstück oder eine Zielvorgabe. Nach einer gefühlten Stunde bin ich endlich wieder in meiner Kleidung, die einfach besser passt als alles Neue. Dafür sehe ich aus wie frisch aufgestanden. Die Haare sind total verwuschelt, ich schwitze vor lauter Stress. Und das alles nur wegen Kleidung? Ich hab's aufgegeben. Ich bestelle. Und schicke gegebenenfalls wieder zurück. Soviel Stress ist das alles nicht wert. Und ob mein Kleidungsstil in oder out ist- mir doch egal. Schwarz geht immer. Und Jeans auch. Es amüsiert mich allerdings zu sehen, wie sehr manche Enten nach der Mode gehen. Älter werden wurde ja eh abgeschafft und so sieht man Damen jenseits der 50 mit knappen Minis in grellen Farben, vollschlanke Frauen in Hüftjeans mit bauchfreiem Top und noch viele weitere modische Verirrungen. Und ich frage mich mal wieder was Enten-Freundschaften eigentlich wert sind. Oder soll das wirklich toll sein? Ich versteh's nicht!

Dienstag, 19. Februar 2013

rien ne va plus

...wenn nichts mehr geht. Seit meiner Teenagerzeit passiert es immer wieder. Depressionen legen sich über mein ganzes Sein. Alles wird zu einer riesigen Herausforderung. Selbst normale Tätigkeiten kann ich nur noch unter größter Anstrengung ausüben. Es beginnt mit dem Aufstehen. Mein Körper will nicht, er kann nicht. Ich schleppe mich mit eisernem Willen in den Tag. Sobald die Kinder aus dem Haus sind verfalle ich auf der Couch in einen komaähnlichen Schlaf. Ich bin körperlich total erschöpft und suche Auswege. Der Pizzadienst oder der Gefrierschrank müssen fürs Mittagessen herhalten. Danach wieder völlige Ermüdung. Das Einzige was ständig läuft und läuft ist mein Gehirn. Es arbeitet auf Hochtouren, gönnt mir keine Erholung. Ich war deshalb bereits einmal 4 Monate in einer Klinik. Ich weiß, dass ich dort wieder hin sollte- aber als Mutter eines schwerstbehinderten Kindes geht das nicht einfach so. Meine Gedanken kreisen, rotieren, sie verwirren mich. Ich habe Angst den Bezug zur Realität zu verlieren. Telefonanrufe nehme ich nicht mehr an- jedes Klingeln erschreckt mich. Post öffne ich nicht mehr, Emails ebenso nicht. Ich war seit Monaten nicht mehr in der Autismussprechstunde, aber ich bring's nicht fertig einen Termin zu vereinbaren und die Züge zu buchen. Alles wirkt dumpf und leer und traurig. Alles überfordert mich. Ich Kämpfe einen großen Kampf und niemand bemerkt ihn. Ich will frei sein von dieser Geisel die mich gefangen hält. Ich will einfach nur leben. Mein Leben.

Samstag, 16. Februar 2013

Ich bin nicht BETROFFEN oder ERKRANKT

Diese zwei Wörter entfachen bei mir eine riesengroße Wut. Menschen sind von Umweltkatastrophen betroffen. Betroffen kommt doch irgendwie von "treffen". Und es ist keineswegs so, dass das Aspergersyndrom via Tröpfcheninfektion in der Luft schwebt und ich mich damit angesteckt habe. Und erkrankt bin ich an einer Darmentzündung. Aber nicht an Autismus. Es ist keine Krankheit!!!! Das für mich zuständige Versorgungsamt hat mit Autismus offensichtlich auch so seine Probleme. Dort werde ich als seelisch erkrankt geführt. Komisch, dass ich dann keinen Seelsorger bekomme? Also, dass meine Seele erkrankt ist finde ich sehr belustigend- was war nochmal die Seele und wo ist sie genau in meinem Körper? Alternativ habe ich eine Verhaltensstörung. Und immer wieder fällt das Wort betroffen. Ich kann es nicht mehr hören! Das klingt neben einer Naturkatastrophe nach etwas, was mich ge- troffen hat und seither über mir steht. Autismus ist aber meine Art des Seins. Es steht nicht über mir, sondern es ist "ich". Ich lese soviel von Individualität- oftmals um jeden Preis. Niemand will offiziell uniform sein- die Wirklichkeit sieht wohl anders aus. Man beachte nur die seltsamen Modeerscheinungen und Enten die sich damit schmücken um dann eher wie eine gerupfte Gans auszusehen. Aber offiziell ist es doch "in" sein eigenes Ding zu machen. Nun, ich würde dies gerne. Aber es ist mir nicht gestattet. Zuviel Autonomie oder Abweichung von der Norm ist nicht gestattet. Inklusion bedeutet doch eigentlich, dass sich die Gesellschaft dahingehend öffnet, dass Menschen, die anders sind, als Teil dieser Gesellschaft leben können. Deshalb gibt es die Genfer Konvention, und deshalb spricht man nicht mehr von Integration, bei der sich die Person einfügen muss, sondern von Inklusion, bei der sich die Gesellschaft ändern muss. Leider ist dieses Wort nicht das Papier Wert auf dem es steht. Ich lebe immer weiter zurückgezogen. Versuche, sowenig Berührungspunkte wie nur möglich mit der "Gesellschaft" zu haben. Meine Teilhabe daran wird mir verwehrt, da ich keine Begleitperson zugesprochen bekomme. Bitte, Welt da draußen, akzeptiert mich doch so wie ich bin.Führt mich nicht vor wie Affen im Zoo (" ich habe auch eine Bekannte die behindert/Autist ist"), sondern nehmt Euch die Zeit mir zuzuhören und versucht,muss zu verstehen. Ich versuche auch ständig, Euch zu entschlüsseln. Steht mir meine Eigenheiten zu und verurteilt mich nicht ständig. NORMAL IST ANDERS!

Mittwoch, 13. Februar 2013

Mein Navi, mein Smartphone, mein Tablet

So könnte das klingen, wenn ich nach den wichtigsten Gebrauchsgegenständen gefragt werde. Da ich absolut keinen Orientierungssinn habe ist es undenkbar das Haus ohne Navi zu verlassen. Zur Sicherheit habe ich ein mobiles Navi und ein Navigationsprogramm auf meinem Smartphone. Denn einmal hat das Navi unterwegs nicht mehr funktioniert und ich war absolut hilflos. Ich bin schon stundenlang durch Stuttgart gefahren ohne die richtige Strasse richtung Heimat zu finden. Verkehrsschilder erschließen sich mir überhaupt nicht. Und Autobahnnummern erst recht nicht. Angeblich soll man ja erkennen wohin die Autobahn führt. Ich bin leider schon viel zu oft am falschen Platz herausgekommen. Stundenlang!!!! Bin ich in die falsche Richtung gefahren. Selbst bei Strecken im näheren Umfeld nutze ich das Navi. Wenn wir zusammen unterwegs sind fährt generell mein Mann. Seit 6 Jahren fahren wir wöchentlich mit unserem Jüngsten zur Reittherapie. Und erst gestern habe ich mich im Kreisverkehr wieder gewundert wo mein Mann abbiegt. Wer diese Kreisel verbrochen hat gehört inhaftiert. Ich bin schon gekreiselt bis mir schwindelig wurde. Der richtige Weg hat sich mit dadurch aber trotzdem nicht erschlossen. Allemal kann ich feststellen, dass mein Auto den Elchtest bestehen würde. Auf meinem Smartphone habe ich dann noch ein Fußgängernavi und ein Programm, das mich zum geparkten Auto zurückleiten soll. Die Sache mit dem Fußgängernavi ist allerdings sehr unausgereift, denn Anweisungen wie " halten Sie sich nördlich" bringen mir gar nichts, und so habe ich in Freiburg für einen 500m-Weg beinahe 3 Stunden benötigt.allerdings benutze ich mein Smartphone nicht zum telefonieren. Diese Tätigkeit ist mir zutiefst zuwider und ich habe das Handy generell auf lautlos. Es hat einen gewissen Humor, dass mir mein Netzbetreiber ständig irgendwelche Telefonflats anbietet. Meine Telefonrechnung ist fast immer 0,-€. Das Smartphone gibt mir lediglich Sicherheit durch das darauf enthaltend Kartenmaterial und die Musik, die ich immer dann höre, wenn ich alleine unter Enten bin. Mein Tablet ist mein täglicher Begleiter. Ich habe Unmengen von Büchern darauf- und Zugang zum Internet. Ich kann meinen Wissensdurst stillen und suchen, recherchieren, lernen, lesen. Da meine Deprssionen sich gerade in meinem Sein sehr breit machen meide ich mein Emailfach. Lediglich mein Wissensdurst ist voll aktiv. Es scheint mir, als ob mein Gehirn ständig Input benötigt. Ich sauge Informationen regelrecht auf. Dabei verändern sich meine Interessen von Zeit zu Zeit. Gesetzestexte und ihre Auslegungen finde ich beispielsweise absolut spannend. Ich lese monatelang alles über das Pflegegesetz um mich dann einem anderen Gebiet zuzuwenden. Ich hasse es, etwas NICHT zu wissen. Manchmal frage ich mich dann, was ich eigentlich mit meinem ganzen Wissen anfangen soll. Sicherlich gelte ich öfters als eine Art "Klugscheißer" weil ich sog. unnützes Wissen von mir gebe. Ich kann aber nicht anders. Ebenso, wenn eine Person etwas mitteilt, das so nicht ganz den Tatsachen entspricht. Ich MUSS dies dann verbessern. Meine Eltern haben mich so erzogen, dass ich nicht immer so "vorlaut" sein soll. Allerdings nur mit bedingtem Erfolg. Bereits in meinen Grundschulzeugnissen steht, dass ich den Unterricht störte, weil ich Dinge berichtete, die mich interessierten. Konditionierung funktioniert eben nicht immer.

Sonntag, 10. Februar 2013

Fasching

Es ist mal wieder soweit. Jedes Jahr aufs Neue. Da wo ich wohne ist es den meisten Menschen sehr wichtig wie sie nach außen hin wirken, was die "Anderen" von Ihnen denken,.... Aber nicht wenn Fasching wird. Dann benehmen sich erwachsene Menschen ungefähr so peinlich wie es sonst nur verliebte Teenager machen. Sie ziehen alberne Kleidung an, setzen sich Hüte oder Perrücken auf, rufen lauthals irgendwelche "Helau"- Rufe und schunkeln zu primitivster Musik. Es erscheint mir, dass alle versuchen auf Kommando lustig zu sein. Büttenreden- meist irgendwelche primitiven Instinkte ansprechende erzwungene Reime- bringen alle zu euphorischem Lachen und rhythmischem Klatschen. Mich würde wirklich mal interessieren, ob das irgendjemand wirklich lustig findet oder ob es sich um einen weiteren Mainstream handelt, dem es zu folgen gilt um ja nicht aufzufallen. Denn die selben Menschen schlüpfen nach Fasching wieder in ihre gewöhnlichen Leben zurück und würden sich außerhalb der Faschingszeit niemals so " gehen lassen". Peinlich gesteigert wird das Verhalten der Karnevalisten durch Zugabe von Alkohol. Dann wird es so peinlich, dass das Wort "Fremdschämen" bestimmt hierbei erfunden wurde. Wenn nun also Enten dies wirklich freiwillig machen und gut finden - dann stimmt doch ihr "normales" Leben nicht, oder? Spielen sie dann nur die seriösen Mitmenschen? Oder spielen sie doch die Jecken? Denn eines davon kann ja nicht echt sein. Ich für meinen Teil genieße die Faschingszeit zuhause mit einem guten Buch und einem warmen Kaminofen. Für mich ist eh immer Karneval - um nicht zu sehr aufzufallen und die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken muss ich mich ständig verstellen. Warum also sollte ich auch noch eine rote Nase aufsetzen? Und als was sollte ich mich denn verkleiden? Als philantrope Ente? Meinen Gedanken gefällt diese Idee........

Freitag, 8. Februar 2013

Einsam

Im Nebel Seltsam, im Nebel zu wandern! Einsam ist jeder Busch und Stein, Kein Baum sieht den andern, Jeder ist allein. Voll Freunden war mir die Welt, Als noch mein Leben licht war; Nun, da der Nebel fällt, Ist keiner mehr sichtbar. Wahrlich, keiner ist weise, Der nicht das Dunkel kennt, Das unentrinnbar und leise Von allen ihn trennt. Seltsam, im Nebel zu wandern! Leben ist Einsamsein. Kein Mensch kennt den andern, Jeder ist allein. [H.Hesse] Hermann Hesse's Werke berühren und beschäftigen mich seit meiner Jugend. Ich fühle mich in und durch seine Werke verstanden. Insbesondere das o.g. Gedicht und "Kurgast" sind mir sehr wichtig geworden. Im Kurgast beschreibt Hesse genau meine Empfindungen: "Ich war allzu moralisch, allzu vernünftig, allzu bürgerlich gewesen! Ein alter, ewiger Fehler, den ich hundertmal begangen und bitter bereut habe, ist mir auch diesmal wieder passiert. Ich wollte mich einer Norm anpassen, ich wollte Forderungen erfüllen, die gar niemand an mich stellte, ich wollte etwas sein oder spielen, was ich gar nicht war. Und so war es mir wieder einmal geschehen, daß ich mich selbst und das ganze Leben vergewaltigt hatte." - Hermann Hesse, Kurgast

Dienstag, 5. Februar 2013

War früher wirklich alles besser?

Zugegeben, ich kann diese Aussage nicht mehr hören!!! Das klingt so so sehr nach vergangenen goldenen Zeiten. Aber manchmal frage ich mich was gewesen wäre, wenn das Asperger-Syndrom in meiner Kindheit schon bekannt gewesen wäre. Vermutlich hätte es meinen Eltern viel erleichtert. Aber mir auch? Ich war "halt anders" wie meine Mutter es ausdrückte. Ich kam im Alter von 7 Monaten und 6 Tagen zu meinen Eltern. Davor hatte ich schon einige andere Stationen, an die ich mich aber nicht alle erinnern kann. Ich weiß lediglich, wie ich mit 6 Wochen vom Jugendamt in Obhut genommen wurde. Die folgenden Pflegefamilien waren mit mir überfordert - ich schrie soviel, dass ich einen Nabelbruch bekam. Als meine Mama mich dann das erste Mal sah war sie von meinem Blick angezogen und so kam Ischia das tollste Elternhaus der Welt. Dort wartete schon ein 14 Monate älter Junge darauf mein Bruder zu werden. Er sollte über Jahrzehnte mein Rettungsanker sein. Ich hielt mich immer an ihn. Mein Alltag verlief in sehr geregelten Bahnen. Die Wäsche lag immer am gleichen Platz im Bad, jeder Tag hatte die gleichen Routinen. Ein Segen für mich. Ich durfte lesen soviel ich wollte und hatte aber auch genügend Zeitum die Natur zu erkunden. Ich erinnere mich an wunderschöne Glücksmomente beim betrachten von Salamandern in Mauershlitzen, Kaulquappen im Bach und Sumpfdotterblumen. Mein Papa ist Schreiner und ich war von jeher viel in der Werkstatt und habe gelernt mit Holz zu arbeiten. "Geh aufrecht", "Schau nicht immer auf den Boden", "Gib die rechte Hand"...... All diese Sprüche hat meine Mutter unzählige Male wiederholt. Ebenso hat sie mir die richtige Prosodie beigebracht. Ich wurde "konditioniert", so gut das eben ging. Noch immer rede ich in unpassender Lautstärke, im falschen Moment,... Meine Eltern haben ihr Bestes getan mich "lebensfähig" zu erziehen. Ich hatte Sicherheit innerhalb ihrer Regeln. Mein Bruder wurde mir zum Vorbild, ich habe versucht ihn zu imitieren. In der Grundschule habe ich aufgehört zu lachen- allerdings musste ich dann schnell lernen, dass es nicht ratsam ist seine wahren Gefühle nach außen zu tragen. Meine Eltern waren verzweifelt und hilflos,mein Papa schenkte mir eines Abends eine große Packung Ferr***. Küss**** mit der Bemerkung "damit Du wieder lachst". Ich lachte also wieder und alles war in Ordnung- für die Anderen. Ich habe tatsächlich lächeln vor dem Spiegel geübt. Noch heute merke ich, wie falsch diese Gesichtszüge eigentlich sind, es kommt mir immer vor wie eingemeißelt. Sobald ich nicht mehr Lächeln muss entgleisen meine Züge- bestenfalls. Wenn ich einen Overload habe oder es zumindest Richtung Overload geht entgleise ich teilweise auch schon zu früh. Ich versuche dies immer zu vermeiden, denn dann bekomme ich soviel Aufmerksamkeit, und das will ich auf keinen Fall. Was wäre wenn? Welche Therapien hätte ich bekommen? Welche beruflichen Möglichkeiten? Wäre ich Mutter geworden? Ich habe mich an die Regeln gehalten, ich habe getan was man mir gesagt hat. Ich habe den Beruf erlernt, den man mir vorschlug, ich habe den Mann geheiratet, den mein Bruder mir empfahl.(Dass dies nicht gut ging erklärt sich wohl von selbst.....). Immer in der Hoffnung zu genügen und nicht aufzufallen. Bis heute ist es mir nur bedingt möglich so zu sein wie ich eigentlich bin. Und noch immer neige ich dazu Regeln ohne Hinterfragung zu befolgen. Ein großes Plus ist das Internet, das hätte ich wirklich gerne gehabt. Aber dazu schreibe ich einen eigenen Beitrag. Meine Depressionen sind derzeit sehr stark, ich kann weder telefonieren noch Post öffnen. Selbst das Aufstehen fällt mir schwer. Ich bin sehr (lebens)müde. Zuviele Vorgaben zu wenig ich selbst. Ich versuche wie immer das Gänze mit meinem Intellekt zu klären und durchzustehen, aber mein Körper fängt an zu streiken. Ich habe Angst- ich kann nicht weg hier und in Therapie gehen. Also versuche ich weiter zu lächeln und zu kämpfen.