Ich bin eine autistische Mutter. Und ich bin es gerne. Es ist die größte Herausforderung meines Leben. Aber auch die Schönste. Als ich mit meinem ersten Kind schwanger war erfüllte ich eine Erwartung. Aber was dann geschah ist das ist unbeschreiblich. Ein so tiefes Gefühl einem Menschen gegenüber- es fasziniert mich heute, fast 17 Jahre später, immer noch. Meine Kinder beim Auwachsen zu begleiten ist phantastisch. Allerdings haben auch sie schon sehr früh bemerkt, dass ich anders bin als andere Mütter. Sinnloses Rollenspiel gab es bei nicht. Aber da ich weiß, dass es für Kinder wichtig ist habe ich mich überwunden und mit den Kindern Spielgruppen besucht. Dort konnten sie gemeinsam mit anderen Kindern soziale Interaktionen üben.
Allerdings habe ich dort sehr schnell gemerkt, dass meine Art zu erziehen oftmals sehr von den Erziehungsmethoden der anderen Mütter abwich. Von Anfang an sah ich meine Kinder als vollwertige Menschen. Ich habe das Gefühl, dass viele Menschen das bei Kindern anders sehen. Nie wäre es mir eingefallen meine Kinder zu züchtigen. Wir haben sehr früh angefangen zu diskutieren. Regeln ohne Erklärung sind sinnfrei. Und Bestrafung für eine schlechte Note, obwohl das Kind gelernt hat? Hier habe ich stets getröstet und aufgemuntert. Und meine Kinder gelehrt, dass der Mensch nicht nur die Summe seiner Schulnoten ist. Meine Kinder sagen öfters zu mir "Du bist ganz anders als andere Mütter." Ich erschrecke bei diesem Satz etwas. Habe ich es nicht richtig hinbekommen? Leiden sie zu sehr unter meinem Sein? Es gab und gibt immer wieder Schwierigkeiten für mich. Das fängt bei Freunden der Kinder an. Ich habe große Probleme damit fremde Menschen in meinem Haus zu haben. Das ist mein Rückzugsort. Gott sei Dank habe die Kinder hierbei stets Rücksicht auf mich genommen. Es ist Gewohnheit geworden, dass spontaner Freundesbesuch ausschließlich in den Räumen der Kinder stattfindet. Wenn möglich fragen die Kinder einen Tag vorher bei mir an ob es ok ist, dass sie Jemanden mit nach Hause bringen. Wenn möglich vermeide ich den Kontakt zu den Fremdmenschen, kann aber mit Vorankündigung besser damit umgehen.
Bis heute habe ich eine Tiefe innere Abscheu gegen die Gespräche Erwachsener in den Spielgruppen und auf dem Spielplatz. Alles dreht sich nur um Windeln, politisch korrekte Ernährung und die Profilierung des eigenen Kindes. Dabei habe ich aber eine komische Eigenart der NT's entdeckt. Anstelle, dass sie direkt mit ihrem Kind angeben ("11 Monate und läuft schon") wird die Angeberei in eine Klage verpackt (" oh man, jetzt läuft er überall rum und ich muss ständig hinter ihm her sein"). Offensichtlich ist direktes Angeben verpöhnt. Ich frage mich heute noch, was das soll. Jedes Kind entwickelt sich in seinem eigenen Tempo. Und es ist doch kein Verdienst, dass das eigene Kind größer/schneller etc. Ist als andere Kinder. Und es ist soooooo unwichtig. Oder hast Du mal Erwachsene gehört, die sich darüber unterhalten wann sie gelaufen sind und seit wann sie ohne Windel auskommen? Aber anscheinend müssen NT's sich ständig messen. Und da viele nur ein Kind haben wird dieses 'Projekt' sehr ernst genommen und bewertet. Für mich persönlich bleibt da die Freude auf der Strecke. Mir war es auch stets egal, ob fremde Kinder vom mitgebrachten Essen meiner Kinder was ab haben wollten. Sollten sie doch. Leider sahen das viele Mütter anders. Gummibärchen statt Reiswaffel? Unvorstellbar. Mein Verhältnis zum Essen ist seit jeher entspannt. Und was soll ich schreiben? Meine Kinder sind groß geworden, ernähren sich sehr ausgewogen und haben ein normales Körpergewicht. Die Gummibärchen haben wohl doch nicht geschadet. Aber viel Freude bereitet.
Meine Kinder haben mir mitgeteilt, dass ich anders bin als andere Mütter. Aber sie finden, dass es so besser ist. Sie schätzen die Begegnung auf Augenhöhe. Und ich empfinde ihnen Gegenüber ein Gefühl, das vermutlich tiefste Liebe ist. Das größte Abenteuer meines Lebens.
Ein großer Stresspunkt sind die sozialen Kontakte, die sich zwangsläufig ergeben wie Elternabende und Schulfeste. Ich kann nicht an einem Kuchenstand verkaufen- dafür backe ich lieber für eben Jenen. Und ich möchte keinen Elternstammtisch, da mich das überfordert. Die Schulzeit der 2 Großen ist fast vorbei. Glücklicherweise.
Der Jüngste ist auf einer Sonderschule, er ist Autist mit zusätzlicher körperlicher Behinderung. Aber dort ist es einfacher, da die Lehrkräfte wissen, dass ich ein Aspie bin. In der Schule der Großen weiß das niemand. Mit Rücksicht auf die Kinder versuche ich so neurotypisch wie nur möglich aufzutreten. Das kostet mich sehr viel Anstrengung.
Ich habe mich oft gefragt, ob ich den Bedürfnissen neurotypischer Kinder gerecht werden kann. Immer wieder komme ich an meine Grenzen, und immer wieder gibt es darüber Diskussionen. Trotz all der Mühe, ich würde mich immer wieder so entscheiden. Meine Kinder sind wirklich das Beste und der Grund, warum ich jeden Tag weiterkämpfe.