Sonntag, 30. Juni 2013

Gesellschaftsspiele

Glaubt man der Definition u.a. bei Wikipedia, dann versteht man unter einem Gesellschaftsspiel einen von zwei oder mehr Personen unternommenen Zeitvertreib zum Zwecke des Vergnügens.
Und hier liegt schon mein Problem. Ich spiele nicht zum Vergnügen, sondern wenn ich spiele, dann um zu gewinnen. Und ich vertreibe auch keine Zeit, ich vertreibe lästige Mücken. 

Wenn ich Menschen der Gattung Neurotypicus beim Spielen betrachte erscheint es mir aber auch nicht so, als ob es ein reiner Zeitvertreib ist. Selbst hoch gebildete Menschen können bei einem verlorenen Mensch-ärgere-Dich-Nicht total ausflippen. Der Name des Spiels amüsiert mich bei solchen Ausrastern immer besonders. Ein Hinweis auf den Namen des Spiels hebt die Stimmung des Verlierers jedoch selten. Wo ich schon bei einem Unwort bin. Verlierer. Es gibt nicht wie bei Olympia Gold, Silber und Bronze. Nein, der Zweite ist der erste Verlierer. Und genau das scheint vielen Menschen nicht zu behagen. Erfolgreich sein lässt auch die Sparte 'Vergnügen' nicht aus. Wie bereits erwähnt, ich spiele auch um zu gewinnen. Denn nur um des Spieles Willen - das macht für mich keinen Sinn. Aber wenn ich verliere hake ich das Spiel ab und fertig. Vorausgesetzt, ich spiele ein solches Spiel. Denn da gibt es ein weiteres Problem. Mein Gegner. ( komisch, dass  die Worte Gegner und Gegenspieler sowohl beim Spiel als auch im Krieg benutzt werden.). Es kostet mich unglaubliche Anstrengung, wenn mein Gegenüber überlegen muss. Länger als ca. 15 Sekunden. Dann werde ich nervös. So etwas regt mich auf. Ich verstehe nicht, wie man so lange für eine Spielentscheidung braucht. Wenn mein Gegenüber zu lange braucht muss ich abbrechen, denn dann werde ich aggressiv. Dies hat für mich dazu geführt, dass ich Spiele mit realen Personen meide. Ich spiele entweder gegen einen Computer. Oder Wirtschaftssimulationsspiele. Dabei bin ich nicht unbedingt auf die Mithilfe Dritter angewiesen. In solchen Spielen kann ich aufgehen. 

Bin ich nun a-sozial, weil ich die Regeln gesellschaftlichen Spiels nicht einhalten kann oder will? Und wie bezeichnet man diejenigen, die 'nicht verlieren können'. Sind die normaler als ich? Ich finde nicht.  Denn ich stehe zu meiner gesellschaftlichen Unfähigkeit. 

Samstag, 22. Juni 2013

Wenn Worte meine Sprache wären....

Es gibt verschiedene Studien, aber ich gehe nun einmal von 16.000 aus. soviele Wörter spricht der Durchschnittsmensch am Tag! Das macht in einem Jahr beinahe 6 Millionen Worte. Auf ein langes Leben gerechnet kommt man da rasch auf beinahe 500 Millionen Worte. Eine Person!!!!! Und die sollen alle wichtig sein? Ich kann es mir nicht vorstellen. Ich bin von den meisten Wörtern die mich erreichen gelangweilt. Sie streifen mich, bleiben aber leer. Ich mag es gar nicht, wenn ich Wörter verschwenden muss. Beispielsweise etwas zu erklären und mein Gegenüber ist nicht aufmerksam.  Reine Zeit- und Wortverschwendung. Es bereitet mir auch große Mühe ruhig zu bleiben wenn Menschen von sich und ihrem Tun erzählen - ganz ohne Aufforderung. Allerdings sehr belustigend ist die Tatsache, dass vergangene Ereignisse im Läufe der Jahre immer spektakulärer werden. Bein Männern gerne die Bundeswehrzeit, bei Frau sehr beliebt die Geburt des Kindes. Wären beide Ereignisse wirklich derart prägend gewesen wie es sich nach einigen Jahren anhört- tja dann gäbe es keine Soldaten mehr und auch maximal ein Kind pro Familie. Ich betrachte diese Heldengeschichten mit innerem Lachen.

Nicht mehr lachen kann ich, wenn ich Menschen Sätze sagen höre, die jeder Grammatik widersprechen. " Treffen wir uns Einkaufszentrum?" Nein, so reden leider nicht nur Jugendliche um sich irgendwie abzugrenzen. Auch Erwachsene sind auf eine gesprochene SMS- Sprache ausgewichen. Und das nervt mich! Es ist nicht schwierig in richtigen Sätzen zu reden. Zumindest für einen NT. Und der Genitiv darf gerne benutzt werden. Unsere Sprache hat so viele Feinheiten, soviele Möglichkeiten. Ich bin begeistert davon. Dazu die Dialekte. Es gibt Situationen, die kann man nur in einem Dialektausdruck richtig beschreiben.

Ich versuche täglich ein 'Wort des Tages' zu finden. Meist gelingt mir dies. Es ist manchmal ein Versprecher im Radio ( 'Staulustige') oder ein Gefühl das beim Hören des Wortes entsteht (melancholisch). Es gibt keine Bedingung für das Wort des Tages. Es ist einfach.

Mit dem Reden ist es bei mir eine etwas andere Sache. Wenn ich in unvorbereitete Situationen komme verfalle ich in eine Art selektiver Mutismus und antworte nicht oder falsch. Ich kann dies nicht ändern, und es bereitet mir große Probleme. im Nachhinein fällt mir vieles ein, was ich hätte sagen können. Aber ich hätte die Worte nicht hervorgebracht.
Meinen Kindern habe ich sehr früh gesagt, dass ich kein 'Erklärbär' bin- es fällt mir sehr schwer Wissen adäquat weiterzugeben. Verbal. Schriftlich wäre es kein Thema.

Wenn ich jedoch bedenke wieviel sinnfreies jeder Menschn jeden Tag von sich gibt- vielleicht wäre so ein bisschen Mutismus in der Gesamtbevölkerung doch gar nicht schlecht. Der Geräuschpegel würde spürbar abnehmen. Und Worte sind wertvoll- einmal ausgesprochen können sie nicht mehr zurückgenommen werden. Es wäre schön, wenn alle diese Wertigkeit erkennen würden. Und nur noch wichtige Dinge reden würden.

Mittwoch, 12. Juni 2013

Warum muss ich von Autismus geheilt werden?

Ich habe einen erschreckenden Bericht gelesen, in dem beschrieben wird wie Eltern ihren autistischen Kindern Bleichmittel(!!!!) oral und anal verabreichen. Damit wird, kurz zusammengefasst, Autismus aus dem Körper geheilt. Pures Entsetzen!!! Und die Frage, die mich immer wieder beschäftigt. Warum ist es vielen NT's so wichtig, dass Autismus 'heilbar' ist.

Ich bin ich. Eines meiner Lieblingslieder ist ' i am what i am, and what i am needs no excuses' von Gloria Gaynor. Nicht unbedingt der Musik wegen, sondern aufgrund des Textes. Es hat sehr lange gedauert bis ich diesen Satz auch annehmen konnte. Würde ich eine Heilung anstreben, dann heißt dies doch, dass ich mich selbst nicht möchte. Das Gleiche gilt für meinen autistischen Sohn. Es stellt sich mit die Frage, was Menschen an Autisten mögen, wenn sie den Autismus nicht mögen. Was bleibt übrig? Ich weiß nicht, wie sich ein NT fühlt, aber das muss ich doch auch gar nicht wissen. Wäre es nicht viel sinnvoller unsere Gesellschaft so zu gestalten, dass Individuen jeglicher Gattung miteinander leben können. Und warum wollen Eltern geheilte Autistenkinder? Wie sollte dieses Kind sein? Ist es wirklich immer nur der Blick aufs Kind oder sind es nicht oftmals eigene Wünsche, die ungefragt aufs Kind übertragen werden? Nur weil viele Autisten nicht geeignet kommunizieren können und ihren Willen kundtun wird oftmals aus Eigeninteresse über sie bestimmt.

Ich will damit keineswegs die Elternliebe in Abrede stellen und auch nicht div. Therapieformen die dem autistischen Menschen helfen sich besser zurechtzufinden. Es ist toll, dass es Mittel und Wege gibt die Autisten mit starker Kommunikationseinschränkung dabei helfen, sich mitzuteilen. Mein Sohn selbst wird auch gestützt.Aber dieses penetrante Suchen nach Heilung mit immer bizarreren Formen finde ich persönlich oftmals entsetzlich. Und Bleichmittel zu verabreichen ist meiner Meinung nach Körperverletzung.

Heute verlasse ich Dich mit sehr nachdenklichen Grüßen.

Dienstag, 4. Juni 2013

Eine autistische Mutter

Ich bin eine autistische Mutter. Und ich bin es gerne. Es ist die größte Herausforderung meines Leben. Aber auch die Schönste. Als ich mit meinem ersten Kind schwanger war erfüllte ich eine Erwartung. Aber was dann geschah ist das ist unbeschreiblich. Ein so tiefes Gefühl einem Menschen gegenüber- es fasziniert mich heute, fast 17 Jahre später, immer noch. Meine Kinder beim Auwachsen zu begleiten ist phantastisch. Allerdings haben auch sie schon sehr früh bemerkt, dass ich anders bin als andere Mütter. Sinnloses Rollenspiel gab es bei nicht. Aber da ich weiß, dass es für Kinder wichtig ist habe ich mich überwunden und mit den Kindern Spielgruppen besucht. Dort konnten sie gemeinsam mit anderen Kindern soziale Interaktionen üben.

Allerdings habe ich dort sehr schnell gemerkt, dass meine Art zu erziehen oftmals sehr von den Erziehungsmethoden der anderen Mütter abwich. Von Anfang an sah ich meine Kinder als vollwertige Menschen. Ich habe das Gefühl, dass viele Menschen das bei Kindern anders sehen. Nie wäre es mir eingefallen meine Kinder zu züchtigen. Wir haben sehr früh angefangen zu diskutieren. Regeln ohne Erklärung sind sinnfrei. Und Bestrafung für eine schlechte Note, obwohl das Kind gelernt hat? Hier habe ich stets getröstet und aufgemuntert. Und meine Kinder gelehrt, dass der Mensch nicht nur die Summe seiner Schulnoten ist. Meine Kinder sagen öfters zu mir "Du bist ganz anders als andere Mütter." Ich erschrecke bei diesem Satz etwas. Habe ich es nicht richtig hinbekommen? Leiden sie zu sehr unter meinem Sein? Es gab und gibt immer wieder Schwierigkeiten für mich. Das fängt bei Freunden der Kinder an. Ich habe große Probleme damit fremde Menschen in meinem Haus zu haben. Das ist mein Rückzugsort. Gott sei Dank habe die Kinder hierbei stets Rücksicht auf mich genommen. Es ist Gewohnheit geworden, dass spontaner Freundesbesuch ausschließlich in den Räumen der Kinder stattfindet. Wenn möglich fragen die Kinder einen Tag vorher bei mir an ob es ok ist, dass sie Jemanden mit nach Hause bringen. Wenn möglich vermeide ich den Kontakt zu den Fremdmenschen, kann aber mit Vorankündigung besser damit umgehen.

Bis heute habe ich eine Tiefe innere Abscheu gegen die Gespräche Erwachsener in den Spielgruppen und auf dem Spielplatz. Alles dreht sich nur um Windeln, politisch korrekte Ernährung und die Profilierung des eigenen Kindes. Dabei habe ich aber eine komische Eigenart der NT's entdeckt. Anstelle, dass sie direkt mit ihrem Kind angeben ("11 Monate und läuft schon") wird die Angeberei in eine Klage verpackt (" oh man, jetzt läuft er überall rum und ich muss ständig hinter ihm her sein"). Offensichtlich ist direktes Angeben verpöhnt. Ich frage mich heute noch, was das soll. Jedes Kind entwickelt sich in seinem eigenen Tempo. Und es ist doch kein Verdienst, dass das eigene Kind größer/schneller etc. Ist als andere Kinder. Und es ist soooooo unwichtig. Oder hast Du mal Erwachsene gehört, die sich darüber unterhalten wann sie gelaufen sind und seit wann sie ohne Windel auskommen? Aber anscheinend müssen NT's sich ständig messen. Und da viele nur ein Kind haben wird dieses 'Projekt' sehr ernst genommen und bewertet. Für mich persönlich bleibt da die Freude auf der Strecke. Mir war es auch stets egal, ob fremde Kinder vom mitgebrachten Essen meiner Kinder was ab haben wollten. Sollten sie doch. Leider sahen das viele Mütter anders. Gummibärchen statt Reiswaffel? Unvorstellbar. Mein Verhältnis zum Essen ist seit jeher entspannt. Und was soll ich schreiben? Meine Kinder sind groß geworden, ernähren sich sehr ausgewogen und haben ein normales Körpergewicht. Die Gummibärchen haben wohl doch nicht geschadet. Aber viel Freude bereitet.

Meine Kinder haben mir mitgeteilt, dass ich anders bin als andere Mütter. Aber sie finden, dass es so besser ist. Sie schätzen die Begegnung auf Augenhöhe. Und ich empfinde ihnen Gegenüber ein Gefühl, das vermutlich tiefste Liebe ist. Das größte Abenteuer meines Lebens.
Ein großer Stresspunkt sind die sozialen Kontakte, die sich zwangsläufig ergeben wie Elternabende und Schulfeste. Ich kann nicht an einem Kuchenstand verkaufen- dafür backe ich lieber für eben Jenen. Und ich möchte keinen Elternstammtisch, da mich das überfordert. Die Schulzeit der 2 Großen ist fast vorbei. Glücklicherweise.
Der Jüngste ist auf einer Sonderschule, er ist Autist mit zusätzlicher körperlicher Behinderung. Aber dort ist es einfacher, da die Lehrkräfte wissen, dass ich ein Aspie bin. In der Schule der Großen weiß das niemand. Mit Rücksicht auf die Kinder versuche ich so neurotypisch wie nur möglich aufzutreten. Das kostet mich sehr viel Anstrengung.

Ich habe mich oft gefragt, ob ich den Bedürfnissen neurotypischer Kinder gerecht werden kann. Immer wieder komme ich an meine Grenzen, und immer wieder gibt es darüber Diskussionen.  Trotz all der Mühe, ich würde mich immer wieder so entscheiden. Meine Kinder sind wirklich das Beste und der Grund, warum ich jeden Tag weiterkämpfe.